Medienkompetenz – Karriere eines Begriffs [Bearbeiten]
Blickt man zurück auf die Geschichte des Begriffs Medienkompetenz und ihrer Vermittlungsinstanz Medienpädagogik, ist „nicht [...] ein kontinuierlich fortschreitender Prozess zu sehen“, sondern sie ist vielmehr geprägt durch bestimmte temporär dominierende, sich aber gegenseitig nicht ausschließende Strömungen und Zyklen. Diese Zyklen sind immer auch Ausdruck eines gesellschaftspolitischen Kontextes. Ursprünglich stellten die „Massenmedien“ den Hauptgegenstand der Diskussion dar. Bereits in den 1920er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stellte Bertolt Brecht (1898–1956) ganz konkrete und pragmatische Forderungen zur Befähigung des einfachen Bürgers in der Anwendung und Nutzung der Medien. Er forderte 1927 eine Demokratisierung des Rundfunks. Erst am Ende der 1960er Jahre, in „gesellschaftspolitisch anderer Zeit“, kam der Begriff der „Medienkompetenz“ auf. Die Bevölkerung solle, so forderte Hans Magnus Enzensberger in Anlehnung an Brecht, überall dabei sein, auch bei der Produktion von Medien. Er postuliert in einer zentralen Stelle seiner Theorie der Medien:
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- „Ein revolutionärer Entwurf muß nicht die Manipulateure zum Verschwinden bringen; er hat im Gegenteil einen jeden zum Manipulateur zu machen.“ (Hans Magnus Enzensberger)
Auch durch Enzensbergers Veröffentlichungen zur Konkretisierung von Brechts Forderung nach Demokratisierung der Medien erfuhr Ende der 1960er Jahre der Begriff Medienkompetenz einen Bedeutungswandel. Die Medien wurden in den 1950er und 60er Jahren vielmals als Gefährdung betrachtet, und die Experten und Pädagogen nahmen oft eine bewahrpädagogische Grundhaltung ein. Diese regelrechte Angst vor dem Fernsehen und den neuen Medien allgemein beruhte auf der Annahme vieler Pädagogen, das Buch sei das wertvollere Medium. Man wollte daher die alten Kulturwerte durch pädagogische Maßnahmen bewahren.
Durch handlungsorientierte Pädagogik und Kulturarbeit in den 1970er und 80er Jahren hatte eine nicht mehr nur abwehrende Haltung gegenüber den Medien die Oberhand gewonnen. Die Medien wurden in ihren gestalterischen Potenzialen für die Bildungssozialisation wahrgenommen. Als Leitbegriffe dominierten jetzt kommunikative Kompetenz, Lebenswelt, Alltag, authentische Erfahrung, handelndes Lernen und vor allem Handlungskompetenz und Medienkompetenz. Durch handelndes Lernen im Gegenstandsbereich der sozialen Realität sollte in der Verbindung von Reflexion und Handeln die Realität sowohl angeeignet als auch mitgestaltet und verändert werden.
Dieter Baacke trug Anfang der 1970er Jahre entscheidend zur Prägung des Begriffes Medienkompetenz bei. Er verwendete in früheren Schriften lediglich den allgemeineren Begriff der Kommunikativen Kompetenz und steht dem Begriff der Medienkompetenz kritisch gegenüber, da er ihn als „leer“ empfindet. Er bemängelt, dass der Begriff nicht aussagt was man sich unter Medienkompetenz konkret vorzustellen hat und wie man sie vermittelt.
Baacke betrachtet Medienkompetenz im Grunde nur als eine Variante kommunikativer Kompetenz, da Kompetenz für jede Art der Kommunikation und somit auch für mediale Kommunikation als angeboren angenommen wird, im Sinne einer „Fähigkeit, in die Welt aneignenderweise auch alle Arten von Medien für das Kommunikations- und Handlungsrepertoire von Menschen einzusetzen“ (Baacke, zitiert nach Vollbrecht 2001, S. 56). Auf den Begriff Medienkompetenz an sich könnte man demnach verzichten, und er scheint insofern problematisch, als dass seine Uneindeutigkeit dazu verleitet ihn falsch zu verwenden, und zwar als Beschreibung einer Reihe von Fähigkeiten die man sich aneignen muss um Medien richtig verwenden zu können. Nach Vollbrecht (2001, S. 57f.) soll es allerdings nicht um die Aneignung bestimmter Fähigkeiten, wie zum Beispiel die Verwendung eines bestimmten Computerprogrammes gehen, sondern darum zu lernen, wie man sich selbst ein beliebiges Programm aneignet – also um das „Lernen des Lernens“. Unter Medienkompetenz versteht Vollbrecht also Schemata (kognitive Strukturen) die den Menschen befähigen Medien nach Belieben (kreativ) zu nutzen und nicht ein bestimmtes Handeln festlegen. Nur durch solche Lernprozesse können sich schließlich die „Schemata“ selbst verändern und somit die Medienkompetenz weiterentwickeln. (Vollbrecht 2001, S.58)
Schiersmann et al. (2002, 19) haben versucht, „den Begriff der Medienkompetenz zu spezifizieren, seine Dimensionen zu klären und zentrale inhaltliche Diskursstränge zueinander in ein Verhältnis zu setzen“. Für sie setzt sich Medienkompetenz „aus drei sich ergänzenden Bausteinen zusammen: − Kompetenz zur Handhabung und Nutzung von (Medien-, IuK-) Technik − Kompetenz zur Gestaltung von sozio-technischen Systemen mit Hilfe von (Medien-, IuK-) Technik − Kompetenz zur kundige[n] Kritik von (Medien-, IuK-) Technik.“ (a.a.O, 64) Anhand von Leitfragen („Was, d.h. welcher Gegenstandsbereich wird genauer thematisiert?“, „Wozu Medienkompetenz?“ und „Wie beweist man Kompetenz?) positionieren sie dann die unterschiedlichen Begriffsaufweisungen in einem Begriffsraum.
Medienkompetenz wird von Bernward Hoffmann in 4 weitere Teilaspekte untergliedert. Der personelle Bezug beschreibt die sinnlich affektive Wahrnehmung und das Erleben von Medieneinflüssen auf das Individuum. Dessen Mündigkeit gegenüber Medien sollte ausgebildet sein, um die Machtart und die Bedingtheit von Medien zu verstehen, sowie diese zu durchschauen. Als zweite Schlüsselkompetenz in unserer heutigen Informationsgesellschaft stellt Hoffmann den sozialen Bezug dar. Medienkompetenz darf nicht nur subjektiv auf das Individuum projiziert werden, sondern muss im Kontext der Gesellschaft und deren Gruppen (wirtschaftlich, sozial, kulturell) gesehen werden. Die Aufnahme von Informationen aus Medien und damit den Nutzungsaspekt – rezeptiv – nennt Hoffmann als dritten wichtigen Aspekt. Medien sind für den Menschen ein wichtiges soziales Referenzsystem, mit dessen Hilfe das Erfassen und Verstehen der Welt vereinfacht werden kann. Daher ist es notwendig, sich in der Vielfalt des Medienangebots zu Recht zu finden, um sich dieses nutzbar zu machen. Dies wird vom Subjekt durch gestalterisch aktive Teilnahme am medialen Alltag erreicht. Dieser Handlungsaspekt soll vom Subjekt aufgegriffen werden, um sich die Medien als Werkzeug für die eigenen sozialen Interessen nutzbar zu machen.
In einer Analyse von über einhundert Definitionen von Medienkompetenz zeigt Gapski (2001), dass in den untersuchten Wortklärungen üblicherweise unterschiedliche Dimensionen oder Ebenen ausdifferenziert werden, um den Komplexbegriff beschreibbar zu machen. Beispielsweise definiert Aufenanger (1997) sechs Dimensionen der Medienkompetenz während Groeben (2002) sieben Dimensionen von Medienkompetenz benennt, „die eine Optimierung von Differenzierungsgrad und Integrationswert bieten“ und bisherige medienpädagogische Modellierungen „integrativ“ abdecken sollen.
In den letzten Jahren hat Baackes Definition von Medienkompetenz besondere Bedeutung erlangt. Dieter Baacke gliederte den Begriff in vier Dimensionen: Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung. Um das komplexe Begriffsystem Baackes anschaulicher zu machen, wird hier seine schriftliche Beschreibung der Ausdifferenzierung des Begriffs Medienkompetenz schematisch dargestellt (siehe Grafik).
- Medienkritik
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- soll analytisch problematische gesellschaftliche Prozesse angemessen erfassen. Jeder Mensch sollte reflexiv in der Lage sein, das analytische Wissen auf sich selbst und sein Handeln anzuwenden. Die ethische Dimension daran ist, das analytische Denken und den reflexiven Bezug als sozial verantwortet abzustimmen und zu definieren.
- Medienkunde
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- umfasst das Wissen über die heutigen Mediensysteme. Die informative Dimension der Medienkunde beinhaltet klassische Wissensbestände. Die instrumentell-qualifikatorische Dimension meint die Fähigkeit, neue Geräte auch bedienen zu können. Die beiden Aspekte Medienkritik und Medienkunde umfassen die Dimension der Vermittlung. Die Dimension der Zielorientierung liegt im Handeln der Menschen. Hierbei spielt also die Nutzung von Medien eine gewichtige Rolle.
- Mediennutzung
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- ist doppelt zu verstehen: Medien sollen rezeptiv angewendet werden (Programm-Nutzungskompetenz) und interaktive Angebote genutzt werden können.
- Mediengestaltung
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- stellt in Baackes Ausdifferenzierung den vierten Bereich der Medienkompetenz dar. In den Bereich Mediengestaltung fallen die innovativen Veränderungen und Entwicklungen des Mediensystems und die kreativen ästhetischen Varianten, die über die Grenzen der alltäglichen Kommunikationsroutinen hinausgehen.
Baacke erweitert den Begriff Medienkompetenz theoretisch auf die überindividuelle, gesellschaftliche Ebene. Mit diesem Ausdifferenzierungsziel wird der Begriff zum „Diskurs der Informationsgesellschaft“. Ein solcher Diskurs bezieht alle wirtschaftlichen, technischen, sozialen, kulturellen und ästhetischen Probleme mit ein, so dass er ständig aktualisiert werden kann und muss. Baackes pädagogisch begründeter Begriff der Medienkompetenz inspiriert dauerhaft Wissenschaft, Praxis und Politik.
Es zeigt sich bereits bei dieser überblicksartigen Betrachtung des Begriffs Medienkompetenz und den Möglichkeiten seiner Vermittlung, dass sich ein Hauptaspekt herauskristallisiert: durch aktive (Be-)Nutzung der Medien soll sich eine Kritikfähigkeit herausbilden, die zum Auswählen unterschiedlicher Medienangebote genutzt werden kann. Kurz: Die eigene aktive Arbeit mit einem Medium ermöglicht dessen kritische Nutzung im beruflichen und privaten Alltag. Die Auseinandersetzung mit Medien (sowohl in der Produktion, als auch in der Rezeption) kann zu einer kritischen Auseinandersetzung des Subjektes mit sich selbst (Bewusstseinsbildung) eingesetzt werden (Schwinger 2005) und ihm damit neue Formen autonomen Handelns ermöglichen (Röll 2003, Schwinger 2005)
Ästhetik als medienpädagogischer Orientierungsrahmen [Bearbeiten]
Um den Anforderungen der modernen Mediengesellschaft gerecht werden zu können, sollte es ein zentrales Anliegen von Bildungsinstitutionen sein, die Fähigkeit zu vermitteln, Bilder rezipieren, dechiffrieren und mit ihnen kommunizieren zu können. Neben dem Fernsehen werden zukünftig auch im Internet audiovisuelle Sequenzen als wichtige Darstellungsform und als komplexes Transportmittel für Informationen mehr und mehr genutzt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird die Fähigkeit, Bilder und Bildzusammenhänge einschätzen und nach dem Informationsgehalt filtern zu können, zu einem maßgeblichen Bestandteil praktischer Medienkompetenz. Eine ästhetische Orientierung in der Medienpädagogik geht in der Regel davon aus, dass Bilder unser Denken und damit unsere Wirklichkeitskonstruktion beeinflussen – Bilder in einem erhöhten Maße, weil über sie Emotionen und Gefühle ideal transportierbar sind. Kaum eine Generation zuvor ist mit so vielen audiovisuellen Reizen aufgewachsen wie die gegenwärtige. Nach Franz Josef Röll verweisen Fotos, Zeitschriften, Kataloge, Werbung, Fernsehen, Kino und Computer seit einigen Jahrzehnten auf einen neuen Diskurs bei der Aneignung von Realität und prägen somit das Wirklichkeitsverständnis durch das Bild. Röll geht davon aus, dass im kommunikativen gesellschaftlichen Diskurs die sozialästhetische Kompetenz im Umgang mit Bildern zu einer Ausgangsvoraussetzung werden wird, um sozial und politisch agieren zu können.
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- „Dies betrifft einerseits die Erarbeitung der Befähigung, Bild-Welten zu interpretieren und zu analysieren, andererseits die Kompetenz, operational, konzeptionell oder handlungsorientiert in den Diskurs der Bildkommunikation einzutreten.“ (Franz Josef Röll)
Röll schließt sich einer Forderung von Christian Doelker an, der die Befähigung der Auswertung jeder Art von Bildern und Bildinformationen als ein Bildungsziel betrachtet. Doelker schlägt als Begriff Bild-Pädagogik oder Bild-Bildung vor. Eine solche pädagogische Ausrichtung würde versuchen, die Erkundungsaktivität des Wahrnehmenden zu fördern. Bildung für das Bild meint demnach auch Schulung und Kultivierung von Wahrnehmung. Die ästhetische Orientierung medienpädagogischer Konzepte kann verdeutlichen, was es für eine Bedeutung haben kann, mit Bildern zu täuschen und mit Bildern zu enttäuschen. Es wird damit die Fähigkeit vermittelt, mit Bildern kommunizieren und Bilder diskutieren zu können – eine Vorstellung davon zu haben, wie Bilder zustande kommen, auf welche Weise sie Meinungen evozieren und wie sich Bild/Text-Verhältnisse zu der emotionalen Rezeption von scheinbar objektiven Medienbotschaften verhalten.
Audiovisuelle Kommunikationsformen als Schlüsselqualifikation [Bearbeiten]
Neil Postman konstatiert 1988 in seiner viel beachteten Streitschrift „Wir amüsieren uns zu Tode“, dass jenes Medium die kulturelle Ausprägung einer Kultur bestimme, welches es schaffe, Gedanken im kommunikativen Austausch am bequemsten zu transportieren. Und jene Gedanken, die sich bequem ausdrücken ließen, würden dann unweigerlich zum wesentlichen Inhalt einer Kultur. Deswegen seien die „Wahrheitsbegriffe jeweils sehr eng mit den Perspektiven bestimmter Ausdrucksformen verknüpft“. Damit lehne er sich, räumt Postman ein, an den Aphorismus Marshall McLuhans: Das Medium ist die Botschaft. Wie die Sprache selbst, so begründe auch jedes neue Medium einen bestimmten, unverwechselbaren Diskurs, indem es dem Denken, dem individuellen Ausdruck, dem Empfindungsvermögen eine neue Form zur Verfügung stelle. Und eben genau dies meine McLuhan mit seinem Satz. Postman resümiert schließlich, dass die spezifischen Ausdrucksformen die Kultur prägten, die den jeweiligen Medien zur Verfügung stünden.
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- „Unsere Sprachen sind unsere Medien. Unsere Medien sind unsere Metaphern. Unsere Metaphern schaffen den Inhalt unserer Kultur.“ (Neil Postman)
Und allen Medien voran präge das Fernsehen unsere Kultur. So werde zum Beispiel die Art, wie wir andere Medien nutzen, in starkem Maße vom Fernsehen bestimmt. Das Fernsehen sage uns, welches Telefonsystem wir benutzen, welche Filme wir uns ansehen, welche Bücher, Schallplatten und Zeitschriften wir kaufen und welche Radiosendungen wir hören sollen. Kein anderes Medium habe die Macht, so Postman, unsere Kommunikationsumwelt so nachhaltig zu organisieren, wie das Fernsehen.
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- „Das Fernsehen hat den Status eines ‚Meta-Mediums‘ erlangt – es ist zu einem Instrument geworden, das nicht nur unser Wissen über die Welt bestimmt, sondern auch unser Wissen darüber, wie man Wissen erlangt.“ (Neil Postman)
Bei der Massenkommunikation mit audiovisuellen Medien wird die enorme Menge von Informationen mit einer endlichen Anzahl von Methoden und Gestaltungsweisen vermittelt. Die Art und Weise, wie eine Information vermittelt wird, sagt dabei sehr viel über die Intentionen des Produzenten aus. Kennt man die Spezifika der Ausdrucksformen, so kann man leichter suggestive Elemente herausarbeiten und beurteilen und dadurch den eigentlichen Subtext des Films erkennen. Die journalistischen Prinzipien der audiovisuellen Informationsvermittlung sind daher zu erlernen, um den spezifischen Informationscharakter von entsprechenden Medientexten erkennen zu können.
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- „Die scheinbar nicht überschaubare Fülle an medial vermittelten Eindrücken, diese Fülle an audiovisuellen Medientexten analysierbar und filterbar zu machen und schließlich deren Inhalte und Subtexte beurteilen und klassifizieren zu können, das ist der eigentliche Vermittlungsinhalt Praktischer Medienkompetenz.“ (Stefan Bornemann)
Ziele der praktischen Medienkompetenz [Bearbeiten]
Unter Einbeziehung der Überlegungen Gerhard Tulodzieckis für die Schule, der Operationalisierung des Medienkompetenzbegriffs von Dieter Baacke sowie medienästhetischer Maßstäbe definiert sich Praktische Medienkompetenz für den wichtigen audiovisuellen Bereich nach einem triadischen Modell mit folgenden Vermittlungszielen:
- Fähigkeit zur aktiven Kommunikation
- Erlernen und Anwenden spezifischer Ausdrucks- und Gestaltungsmöglichkeiten und journalistischer Methoden; Fähigkeit zur aktiven Kommunikation mit audiovisuellen Medien von der Planung und Recherche über die Produktion und Gestaltung bis zur Fähigkeit der Verbreitung eigener audiovisueller Erzeugnisse.
- Kenntnis der technischen und organisatorischen Bedingungen
- Kompetente Rezeption
- Sensibilisierung der eigenen Wahrnehmung und Fähigkeit zur Filterung und kompetenten Analyse audiovisueller Informationen mit dem Vorsatz der kritischen und emotional distanzierten Wahrnehmung; Vermittlung von Format- und Genrewissen.
Diskurse der Medienkompetenz [Bearbeiten]
Nach Gapski (2001) ist Medienkompetenz längst kein exklusiver Begriff der medienpädagogischen Fachdiskussion mehr, sondern ein gesellschaftliches Konstrukt mit bestimmten Funktionen in der Mediengesellschaft, die durch die Medien vermittelt werden. Im Spiel der politischen, rechtlichen, pädagogischen, technischen oder wirtschaftlichen Diskurse herrscht je nach Akteur und Kontext ein anderes Verständnis von Medienkompetenz vor. Insofern lassen sich unterschiedliche Diskurse der Medienkompetenz nachzeichnen, die sich zum Teil durchdringen oder aufeinander Bezug nehmen und in denen der Begriff geformt, adaptiert und eingefasst wird. Je nach Kontext erfüllt der Begriff jeweils andere kommunikative Anschlussfunktionen. Medienkompetenz als Schlüsselbegriff in der Wissensgesellschaft zu positionieren, bedeutet über Entgrenzungen zu reflektieren: über jene hinsichtlich der Bezugsrahmen und Träger, der gesellschaftlichen Zielgruppenbereiche, der vielfältigen Medien- und Nutzungsformen, der Diskurse und der Beobachtungsperspektiven.
Medienkompetenz und Schule [Bearbeiten]
Nach Vollbrecht hängt das Erlangen von Medienkompetenz ab von:
- individuellen Voraussetzungen
- (Medien-)Vorlieben
- sozialen Rahmenbedingungen
- Lern- und Sozialisationsprozessen
So hat Schule als Sozialisationsinstanz bei der Vermittlung von Medienkompetenz eine große Bedeutung. Es fragt sich nur "wie" (Vollbrecht 2001: S.63). Der Fokus liege vor allem auf dem Mediennutzer, seinen Bedürfnissen sowie der der Nutzungssituation. So meint Medienpädagogik kein bloßes Faktenwissen, sondern eine autonome Fähigkeit, mit Wissen umzugehen und dieses zu interpretieren (Dewe/Sander 1996: S.128).
Hierbei steht die Schule vor vielerlei Problemen:
Eines davon ist das generation gap zwischen der Lehrer- und Schülergeneration. Während Schüler heute selbstverständlich mit Medien aufwachsen, müssen manche Lehrer erst den kompetenten Umgang mit neuen Medien erlernen oder haben sogar Widerstände gegen diese (vgl. Vollbrecht 2001: S.63-64). Jüngere Menschen nutzen zudem teilweise andere Medien oder nutzen diese anders als die ältere Generation.
Zum anderen birgt die Lernwelt der neuen Medien drei Fallen:
- die Spaßfalle, da Lernen weiterhin Anstrengung bedeutet (vgl. Edutainment)
- die Schnelligkeitsfalle, da Lernen nicht automatisch beschleunigt wird
- Effektivitätsfalle, da mediales Lernen nicht effektiver sein muss als nicht-mediales (vgl. Reinmann-Rothmeier/Mandl 1998: S.111f.)
Neben der Finanzierung der Hard- und Softwareerneuerungen stellt die Weiterbildung der Lehrkräfte einen erheblichen Kostenfaktor dar. "Medienpädagogik sollte daher auch als verpflichtender Bestandteil in beide Phasen der Lehrerausbildung [...] aufgenommen werden." (Vollbrecht 2001:S.73)
Um Medienkompetenz in die Schulbildung aufzunehmen wurden folgende Modelle zur Computerausstattung vorgelegt:
- Computerraum: Ermöglicht Anwendungen des Computers und Zugriff auf Netzwerkressourcen
- Computerraum plus: Zusätzlich ständige Zugriffsmöglichkeit auf Computer im Klassenraum
- Klassenraum mit PC-Sharing: Ständige Zugriffsmöglichkeit für Schülergruppen auf Programme und elektronische Unterrichtsmaterialien im Klassenraum
- Klassenraum mit Netz-PCs: Zusätzlich die die Möglichkeit, für jeden Schüler an einem eigenen Rechner im Klassenraum zu arbeiten
- Laptop für alle : Kombination von schulischem und heimischem Lernen. Der Computer wird universales Arbeitsmittel
Quelle: Enquettekommission "Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft" 1998: S.135
Nach einer Schätzung der Unternehmensberatung McKinsey (1999) kostet die Ausstattung der 40000 deutschen Schulen mit Computerräumen ohne Software und laufende Kosten etwa 4,5Mrd. Euro.
Dennoch sind die Vorteile von interaktiven Medien hervorzuheben:
- sie fördern Eigenaktivität der Lernenden
- sie fördern Eigenverantwortlichkeit für ihr Lernen
- sie dienen der Veranschaulichung und Simulation vor allem technischer und naturwissenschaftlicher Prozesse. (Vollbrecht 2001: S.65)
Insgesamt wird der zukünftige Einbezug von neuen Medien in der Schule längst kontrovers diskutiert. Während der Fächerkanon um die informationstechnologische Grundbildung erweitert ist, wurden die Einführung neuer Medien im Unterricht zwar immer gefördert und in Pilotprojekten erprobt, doch sind sie "[...] Fremdkörper im Organismus Schule geblieben." (Kubicek/Breiter 1998: S.121).
Nach Vollbrecht versteht sich Medienkompetenz auch als Handlungskompetenz, was bedeutet, dass das Medium selbst nicht mehr unbedingt im Zentrum der Überlegung steht. Geht es nicht gerade um Medienanalyse oder -kritik [...], sondern beispielsweise um kritische Mediennutzung oder Handlungsalternativen, kann die Medienpädagogik (Tulodziecki 1997: S.239) quasi en passant bei der Behandlung anderer Unterrichtsthemen greifen. (Vollbrecht 2001: 71f.) Das heißt Medien behalten ihre Bedeutung als Vermittlungshilfe, deren adäquate Einsetzung und Auswahl ein wesentlicher Bestandteil der Unterrichtsplanung darstellen. (vgl. Vollbrecht 2001: S.79)
Konkrete Lernziele:
- das Zusammenwirken differenzierter medialer Gestaltungsmittel zu erkennen, vielfältige Medienerlebnisse in die eig. Lebensgestaltung sozial verträglich zu integrieren, Wirkungsmöglichkeiten von Medienangeboten theoretisch zu reflektieren und in Lebenszusammenhänge einzuordnen.
- Medienangebote selbstständig in die Lösung komplexer unterrichtsrelevanter Aufgabenstellungen einzubeziehen, das ästhetische Erleben anhand von unterschiedlichen Medienangeboten zu entwickeln, eine effektive Medienrecherche als Grundlage wissenschaftlichen Arbeitens zu erkennen und anzuwenden,
- Medienproduktion selbstständig planen, realisieren und präsentieren zu können, bei der Produktion von Medien individuelle Ausdrucksmöglichkeiten zu finden und anzuwenden
- die Rolle der Medien als Wirtschaftsfaktor zu erkennen und zu beurteilen, Medien als unverzichtbares, konstitutives Element der modernen Gesellschaft zu begreifen und Funktion und Bedeutung der Medien in der Gesellschaft komplex und kritisch zu reflektieren.(vgl. Bartsch, Paul Detlev 1999: S.259f)
Aufgaben und Probleme der (Medien-)Pädagogik bei der Vermittlung von Medienkompetenz im 21. Jhd. [Bearbeiten]
Mit Hinblick auf den Mediennutzer wird hier unter Medienkompetenz nicht nur Faktenwissen verstanden werden, „sondern beinhaltet eine autonome Fähigkeit, mit Wissen umzugehen, es anzuwenden und zu interpretieren“ (Dewe / Sander 1996, S. 128).
Gerade im Bereich Schule bezieht man Medienkompetenz oft zu eng und zu technologisch auf Medien, man spricht hier von einer technologischen Grundbildung; die Probleme, vor die die Schulen im Bereich Medienerziehung gestellt werden sind äußerst vielfältig und können hier nur knapp angedeutet werden:
- Zum einen ist der immer noch vorhandene Widerstand der LehrerInnen gegenüber (neuen) Medien zu erwähnen, wogegen die Schüler oft „willens und in der Lage“ sind, sich den Umgang und den Gebrauch von Medien selbst anzueignen.
- Wir haben es hier mit einem „generation gap“ zu tun, denn die Generationen werden durch höchst unterschiedliche Mediensozialisation und –erfahrungen getrennt.
- Die Realisation im von den Schülern meist so verstandenen „Pflichtprogramm Schule“.
- Es steht „der Aspekt des Zugriffs auf Informationen … und nicht die interaktiven und kommunikativen Möglichkeiten der neuen Medien“ (Vollbrecht 2001, S. 64) im Vordergrund.
- Außer diesen eher grundsätzlichen Problemen haben die Schulen mit strukturellen und finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen.
- Zum Schluss bleibt auch immer noch der organisatorische Aspekt im Raum stehen, wie man adäquates Material zur Vermittlung von Medienkompetenz sinnvoll zur Verfügung stellen kann.